Angekommen: Mit meiner Tochter und „Seelen für Seelchen e.V.“ im rumänischen Shelter
Vor 4 Tagen sind wir mit dem Mietwagen in Bukarest aufgebrochen, unser Ziel sind zwei Shelter, die 5 Autostunden in Richtung Osten liegen (s. Reisebericht 1), in Barlad, an der Grenze zwischen Rumänien und Moldawien. Ein Shelter ist ein Ort, an den Straßenhunde gebracht werden. Hundefänger bringen sie dorthin, um die Überbevölkerung der Dörfer und Städte mit freilaufenden, sich immens vermehrenden Hunden einzudämmen. Diese staatlichen Shelter bewahren die Hunde übergangsweise auf, meist unter schlimmsten Lebensbedingungen, dann werden sie nach und nach getötet. Wenn sie nicht vorher verhungert oder verdurstet sind oder sich gegenseitig aufgefressen haben. Täglich werden neue Hunde gefangen und gebracht und keiner weiß wirklich, wohin mit ihnen. Deshalb sind in Rumänien mittlerweile verschiedene ausländische Tierschutzvereine aktiv, um zu helfen, dieses Elend einzudämmen. Einer davon ist Seelen für Seelchen e.V. – der Verein, mit dem wir jetzt zur Zeit in Rumänien unterwegs sind.
Die Begrüßung zum Shelter „Little Souls Home“ ist ohrenbetäubend – 360 Hunde auf engstem Raum, die jeden Fremden sofort lautstark registrieren. Dazu ein Gewusel freilaufender Hunde, die sofort um unsere Beine toben und uns fröhlich abschlabbern. Zwinger neben Zwinger, darin ein paar Hundehütten. Kein Rückzugsort, kein Auslauf, kein Dach über dem Kopf, ob Sommerhitze, Herbststurm mit Regen oder schneereichere Winter – die Hunde sind jeder Witterung ausgesetzt, Tag und Nacht. Egal, ob klein oder groß, jung oder alt. In einem Zwinger, der kleiner ist als unsere Küche, leben bis zu 6 Hunde. Neben den Zwingern ein verfallenes Haus, mit eingebrochenem Dach und ein Container, der eine Teil bis zur Decke vollgestapelt mit Hundefutter-Säcken, der andere Teil dient zur Notversorgung verletzter Hunde, zur Aufbewahrung wichtiger Dokumente. Vor den Containern ein paar wackelige Stühle, ein Tisch, ein Haufen leerer Hundefuttersäcke und Kartons. Mehr gibt es hier nicht.
Dieser Container ist gleichzeitig die Tierarztpraxis. Dazu müssen die Hundefuttersäcke wieder raus, denn dies ist gleichzeitig auch der Kastrationsraum. Mehr als 100 Hunde kastriert ein rumänischer Tierarzt jeden Monat im Auftrag von „Seelen für Seelchen e.V.“. Man sieht es auf den Straßen: in Barlad gibt es heute viel weniger Straßenhunde als vor ein paar Jahren. Luiza und Valy, die das Shelter vor Ort leiten, kennen mittlerweile fast jeden Straßenhund in Barlad. Sie sind verpflichtet, Monat für Monat Hunde von der Straße ins Shelter zu holen. Damit diese Hunde nicht getötet werden, ist Seelen für Seelchen unermüdlich dabei, Pflegefamilien oder auch endgültige Zuhause in Deutschland für gut vermittelbare Hunde zu finden.
Deshalb sind wir hauptsächlich hier vor Ort. Um die Hunde so genau wie möglich kennenzulernen, Fotos und Videos von jedem Hund anzufertigen, ihr Verhalten zu studieren. Jeder Hund bekommt sein eigenes Album, damit sich ihre Interessenten ein möglichst genaues Bild von einem Hund machen können. Daneben kommen aber auch viele weitere Aufgaben hinzu – helfende Hände gibt es im Shelter nie genug. Überlange Krallen müssen geschnitten werden, verfilzte Felle entklettet, neu gebrachte, verletzte Straßenhunde medizinisch versorgt, ausgesetzte Welpen aufgenommen, Streitigkeiten geschlichtet, Organisatorisches mit der Shelterleitung besprochen, die Bürgermeisterin und Tierärzte getroffen…ein Tag im Shelter ist mit nichts vergleichbar, was wir kennen. Pausenlos kommt Unvorhergesehenes hinzu, ständig muss improvisiert werden, mittendrin kommen – gottseidank!- viele Anfragen aus Deutschland über facebook zu einzelnen Hunden, ihrem Charakter, ihrer Katzenverträglichkeit, ob sie stubenrein sind – wir beantworten gern, soviel wir können – und geraten dabei alle hier immer wieder an die Grenzen unserer emotionalen Belastbarkeit. Geweint wird leise und allein. Es ist nicht möglich, die Gefühle der anderen auch noch aufzufangen. Zuviel Hunde warten auf uns, allein in diesem Shelter sind es 360 Hunde, in einem weiteren Shelter der Stadt um die 150. Denn wir wissen – diese 1 Woche, die wir hier verbringen ist ihre große Chance, vielleicht diesem Elend zu entfliehen und ein neues Leben beginnen zu können.